Erste Tage an Sprachschulen im Ausland beinhalten in den meisten Fällen auch die Durchführung eines Einstufungstests. Beim Ausfüllen dieses Tests kamen wir uns erneut etwas doof vor, konnten wir doch gerade mal die ersten beiden Seiten einigermassen mit Antworten vollkritzeln, der Rest war einfach nur Bahnhof. Die Resultate des Tests sollten uns in zwei getrennte, unterschiedliche Kurse führen. Das wäre an und für sich noch keine Sache gewesen, dass aber der eine Kurs am Morgen und der andere am Nachmittag hatte abgehalten werden sollen, lief unseren Stadtbesichtigungsplänen recht zuwider. Nach kurzer Diskussion konnte aber dieses Problem behoben und das Einstufungstest-Resultat ausgehebelt werden.
Im Klassenzimmer für den Kurs Base P1B (oder auch "Kurs für nicht mehr ganz blutige Anfänger" genannt) erwarteten uns bereits unser Lehrer Juan Manuel und unsere vier Studigspändli, bestehend aus einem Ami, einem Holländer, einem Engländer und einem weiteren Schweizer. Zusammen sollten wir die nächsten beiden Wochen die Geheimnisse der spanischen Sprache kennenlernen.
Juan Manuel hatte uns bereits nach wenigen Augenblicken in seinen Bann gezogen. Die äusserst gestenreichen, häufig mit gekonnt ans Whiteboard gezauberten Zeichnungen untermalten Erklärungen, dieses kurzgewachsenen Porteños (Porteño = Einwohner von Buenos Aires) führten uns häufig direkt, ab und zu über (mehr oder weniger lange) Ausschweifungen zur Erleuchtung.
Der Vorteil von Unterricht am Morgen ist die Möglichkeit, den Nachmittag mit Sightseeing verbringen zu können. In der ersten Woche, mit noch sehr wachem Entdeckergeist und dank Repetition von bereits bekanntem Spanischwissen noch vorhandenen geistigen Reserven, wurde von dieser Möglichkeit auch rege Gebrauch gemacht. Das Quartier "Recoletta" mit dem berühmten Friedhof, wo neben anderen wichtigen argentinischen Persönlichkeiten auch "Evita Peron" ihre letzte Ruhestädte gefunden hat, "Puerto Madero" mit der schicki-micki Hafenpromenade und die farbenfrohen Gassen des "El Caminito" im Quartier "La Boca" mussten ausgekundschaftet und abgelichtet werden. Zu einem Besuch im "Jardín Japones" waren wir auf Grund von Orientierungsdefiziten nicht fähig (wir waren tatsächlich nur gut 50 Meter vom japanischen Garten entfernt, haben ihn aber trotzdem nicht gefunden :-)).
In der zweiten Woche war's dann mit Sightseeing grösstenteils vorbei, da neben spanischer Grammatik im Unterricht nicht mehr viel Gehirnschmalz für andere Tätigkeiten übrig blieb. Das scheint mit unserem Alter zusammen zu hängen, unsere Mitstudis liessen sich auf laden Fall nicht vom Feste feiern abhalten ;-)...
Am Freitag war dann die erste Bewährungsprobe fällig: mit schweissnassen Händen sassen wir morgens um neun im Schulzimmer und warteten auf den Start des Abschluss-Tests für den ersten Kurs. Die Aufgabenblätter hatten aber den Weg in die Schule anscheinend nicht gefunden und mussten erst neu kopiert werden (das sei typisch argentinisch wurde uns versichert). Mit einigen Minuten Verspätung wurden wir dann doch noch auf den Test losgelassen. Es sollte sich herausstellen, dass unsere Zweifel unbegründet waren, da (welch Überraschung!) alle den Test bestanden und die folgende Woche den nächsten Kurs bestreiten dürfen.
Über's Essen muss natürlich auch berichtet werden, waren wir doch nach Buenos Aires aufgebrochen in der Hoffnung das "gelobte Land" für Fleischfresser zu finden. Wir dürfen bestätigen: Die Gerüchte sind wahr!! Hier fliessen zwar nicht Milch und Honig, aber dafür gibt's riesige, saftige "Bife de Lomo" (Filletsteak) und "Bife de Chorizo" (T-Bone Steak) für eine Handvoll Fränkli! Das geht sogar soweit, dass man sich teilweise schon fast quälen muss um den ganzen Fleischberg, der sich da auf dem Teller erhebt, verputzen zu können. Vegetarier sind in Buenos Aires wirklich nicht zu beneiden...
Abgesehen vom Fleisch gibt's jede Menge "Empanadas" (Teigtaschen) in allen erdenklichen Variationen, mit Fleisch, ohne Fleisch, mit Käse, ohne Käse, usw. Auch die Pizza's (hier eher Käsekuchen, da mit Unmengen von Mozarella zubereitet) sind nicht zu Verachten. Und dann sind da noch die leckeren Eintöpfe mit Linsen oder Getreide, mmmh...
Zum Dessert gibt's dann jede Variante von Süssspeisen, je süsser desto besser, und deshalb mit einer gehörigen Portion "Dulce de Leche" versehen. "Dulce de Leche" ist eine Mischung aus Caramell und "Nidletäfeli". Wie man soviel Süsse in eine dickflüssige Paste reinbringt bleibt wohl das Geheimnis der Argentinier.
Was die Argentinier beim Kochen an Zucker zu viel verwenden, sparen sie dann beim Salz wieder ein. In den meisten Fällen sind die Speisen zwar geschmacklich super, aber für den schweizer Gaumen muss noch etwas mit Salz nachgewürzt werden. Das gilt übrigens auch für Mutschi's Küche. Auch von ihr werden wir mit allerlei argentinischen Spezialitäten verwöhnt (oder manchmal auch konfrontiert ;-)). In den allermeisten Fällen können wir uns aber ganz und garnicht beklagen!
Bisher hatten wir uns mit dem Ausgang "vornehm" zurückgehalten, wir waren abends einfach zu groggi (die alte Leier mit dem Alter...). Bis auf gelegentliche abendliche Ausflüge in das eine oder andere Restaurant, zum gediegenen Fleischverzehr natürlich, war unsererseits wenig los. Gestern verspürten wir aber einmal den Drang uns ins Nachtleben zu stürzen. Gegen zwei Uhr ging uns aber der Saft aus, also etwa dann, wenn die Argentinier die Bar verlassen um weiter in die Clubs zu pilgern. Eine Überraschung erwartete uns zu Hause... Wie gewohnt schloss unser Schlüssel die Eingangstür zum Gebäude auf, verweigerte dann aber bei der Wohnungstür seinen Dienst. Trotz verschiedensten Überredungsversuchen, mal mit und mal ohne sanfte Gewalt, wollte sich die Tür nicht öffnen lassen. Da Mutschi auch nicht zu Hause war (Argentinierinnen gehen halt auch etwas länger aus), brachte auch unser verzweifeltes Klingeln und Klopfen nichts, wir mussten warten bis jemand mit funktionierendem Schlüssel auftaucht. Das wäre die beiden vorhergehenden Wochen nur ein kleines Problem gewesen, da die Wohnung vollgefüllt mit anderen Sprachstudenten war, aber wie es der Zufall wollte (streng nach Murphy's Gesetz), waren wir beiden die einzigen Mitbewohner in Mutschi's Bleibe für dieses Wochenende (alle anderen Mitbewohner waren in einer anderen Wohnung einquartiert und sowieso noch unterwegs)...
Der gewiefte Leser wird sich jetzt fragen warum wir, da wir ja alle im Kommunikationszeitalter leben (ja, auch hier läuft jeder mit Handy am Ohr rum), nicht einfach den Hosentaschenfunk hervorzaubern und Mutschi unser Problem schildern konnten. Gute Frage, simple Antwort: ohne die entsprechende Telefonnummer keine Verbindung! Wer vergisst sich die wichtigsten Nummern zu notieren, hat nichts anderes verdient als nachtens im Treppenhaus zu hocken und zu warten.
Unsere Treppenhaus-Odyssee endete aber glücklicherweise nach gut einer Stunde. Mutschi erschrak etwas, als wir ihr um drei Uhr morgens im Treppenhaus entgegenkamen, sie sagte uns nachher, dass sie schon den ganzen Abend eine Vorahnung gehabt habe, dass irgendetwas schieflaufen würde. Sachen gibts!
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