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Mittwoch, 27. Januar 2010

Mystik am Machu Picchu



Der gebuchte 2-tägige "Heiliges-Tal-der-Inkas-und-Machu-Picchu-Trip" sollte frühmorgens vor unserem Hotel beginnen. Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk standen Corinne und Jan also zur abgesprochenen Zeit an der Reception des Hotels und warteten erstmal beinahe eine halbe Stunde auf das Eintreffen des Tourbusses. In fremden Landen können in solchen Momenten mitunter Zweifel an der Rechtschaffenheit der mit unserem Vertrauen beehrten Reiseagentur kurz aufflackern. In diesem Fall waren diese "Worst-Case"-Szenario-Phantasien glücklicherweise unbegründet, da der Bus mit der, für Südamerika eigentlich als pünktlich zu erachtenden, Verspätung von gerade einmal 20 Minuten bei uns eintrudelte. Klar, dass der halbvolle (oder auch halbleere, je nach Standpunkt ;-)) Bus mit einem kurzen Abstecher zum Haupteinsammelpunkt für Touristen, erst noch die letzten unbesetzten und (wohl wichtiger) unbezahlten Plätze eliminieren musste.

Dann konnte es aber losgehen. Überraschenderweise kommunizierte der wortgewandte Guide munter in zweisprachigem Spanisch-Englisch-Mix. Das hatten wir nicht erwartet, da dieses doch mitunter als wichtig geltende Leistungsmerkmal bei den Verkaufsverhandlungen nicht speziell hervorgehoben worden war (und das Hervorheben der verschiedenen im Angebot enthaltenen Leistungen war etwa die zweitwichtigste Sache während unserer Verkaufssession, natürlich nach der Geldübergabe).
Die ersten interessanten Steinhaufen, bzw. Ruinen wurden mit dem Hinweis auf die ebenfalls im Angebot stehende "City-Tour" einfach mal links liegen gelassen, weiter entfernte, wichtigere Dinge warteten auf unsere ungeteilte Aufmerksamkeit und ausserdem wollte man sich als Touroperator nicht selber das Geschäft vermiesen.

Der erste Stopp galt, wie nicht anders zu erwarten, der Unterstützung des ortsansässigen Kunsthandwerks. Dass sich die farbenprächtigen mit allerlei mehr oder weniger kitschigen Ramsch ausstaffierten Marktstände zwischen "Copacabana" in Bolivien und "Pisac" im peruanischen heiligen Tal der Inkas kaum, oder wenn dann nur in einigen kleinen Details unterscheiden, scheint der touristischen Konsumwut keinen Abbruch zu tun. Nach einer knappen (auch im Sinne von: "das reicht ja kaum um allen Daheimgebliebenen etwas nettes zu besorgen") halben Stunde ungezügelten Geldverprassen, wurde die Reisegruppe "Efrain", so oder ähnlich der Name unseres Führers, anhand einer Lautsprecherdurchsage aus dem Einkaufstraum gerissen und zurück in den Bus zitiert.

Weiter ging's dann zu den nahegelegenen Ruinen der Inkafestung von "Pisac". Hier durfte unsere 30-köpfige Reisegruppe die ersten Gehversuche im reissenden Strom des Massentourismus wagen. Glücklicherweise wurden wir am oberen Ende der Festung aus dem Bus ausgespuckt, was uns den Vorteil einer gewissen Antizyklizität gegenüber dem Grossteil der unten startenden Reisegruppen bescherte. Trotzdem war's nicht unbedingt ein Leichtes, Fotos der 500-jährigen Steinhaufen einzusammeln, auf denen nicht mindestens 20 Leute in greller Funktionsbekleidung das Ambiente störten. Mit etwas Geduld und dem einen oder anderen Perspektive-Trick hatte es aber trotzdem zu einigermassen ansehnlichen Schnappschüssen gereicht.

Die Meute war nach der anstrengenden Bergfestungs-Begehung natürlich mit Hunger gesegnet und wie lässt sich eine Gruppe von 30 Leuten am Effizientesten ruhigstellen?
Richtig! Mit Buffet-Futter!
Wir wurden also, wie auch vermutlich alle anderen Tourbusse unterwegs, ins Buffet-Mekka "Urubamba" gekarrt. Die Hauptstrasse wird beinahe nur von Buffet-Restaurants gesäumt, die sich nur so darum reissen sich mit dem Hunger der Touris anlegen zu dürfen. Die anfängliche Skepsis gegenüber dieser Art der Verpflegung konnte zwar nicht ganz überwunden werden, aber die bereitgestellten Hungerkiller waren erstanlicherweise geschmacklich nicht mal so übel.

Frisch gestärkt ging's nach dem Kurzaufenthalt im Schlemmertempel gleich weiter zum nächsten archäologischen Highlight, den Ruinen von "Ollantaytambo". Nachdem bereits die Inkafestung vom Vormittag hohe Anforderungen an die Geduld des geführtetouren-inkompatiblen Individualtouristen gestellt hatte, kam's in "Ollanta" noch einiges dicker. Im Gänsemarsch quälten sich die Touristenschlangen, und wir mitten drin, die steilen Treppen der beeindruckenden Inkastätte hoch und auf der anderen Seite wieder runter. Horror! Aber das Schlimmste daran war, dass auch dies nur ein Vorgeschmack auf die zu erwartenden Menschenmassen in "Machu Picchu" zu sein schien...

Das Nervengewand mittlerweile bis zum Zerreissen gespannt, waren wir froh uns zu diesem Zeitpunkt von unserer Tour-Gruppe abspalten zu können, da wir anstatt der letzten Inkaruinen im heiligen Tal, die Zugreise nach "Aguas Calientes" am Fuss von "Machu Picchu" antreten durften.

Der Typ von der Reiseagentur hatte uns am Morgen vor, oder beinahe noch während der Abfahrt mitgeteilt, dass eine Namensverwechslung bei der Reservation der Tickets für den Zug dazu geführt hatte, dass er uns nur ein Ticket abgeben konnte. Er würde sich aber im Verlauf des Tages bei unserem Guide melden und die fehlende Ticketnummer durchgeben. Wir könnten dann einfach am Bahnhof von "Ollantaytambo" einen Nachdruck des Tickets erstellen lassen.
Wir ahnten natürlich bereits Unheil, als unser Guide auch nach erreichen der letzten Station noch keine telefonischen Infos betreffend der Tickets erhalten hatte...
Wir hatten aber unsere Rechnung ohne das ausserordentliche Timing unseres peruanischen Reiseagenten gemacht, denn just in dem Moment, als "Efrain" uns über die Mauerbaukünste der Inkas und deren Vorfahren aufklären wollte, klingelte sein Telefon dermassen penetrant, dass er nicht darum herum kam den Anruf entgegenzunehmen und uns mit der dringend benötigten, weil fehlenden Zugticketnummer zu versorgen. "Just-in-Time"-Management würde man das nennen (wenn es denn tatsächlich so beabsichtigt gewesen wäre :-)).

Die Fahrt im "Backpacker"-Abteil der PeruRail war dann zwar nicht sonderlich aufregend, da die Umgebung bereits in finstere Nacht gehüllt war, aber auch nicht unbedingt unangenehm, da die "Backpacker"-Klasse entgegen der möglichen Implikationen durch ihren Namen, durch recht komfortables Gestühl positiv auffiel.

Nach dem kleinen Malheur mit den Zugtickets, durfte es eigentlich nicht überraschen, dass uns bei der Ankunft in "Aguas Calientes" das versprochene mit unseren Namen geschmückte Schild nicht aus dem Schildermeer am Bahnhofsausgang entgegenblitzte. Dumm war allerdings, dass wir nicht einmal wussten, in welchem Hostel für uns ein Zimmer reserviert worden war...
Wir mussten also den nächstbesten rumstehenden "Guide" dazu nötigen uns bei der Problemlösung zu helfen (wir hatten wenigstens die Telefonnummer vom Reiseagenten, phu...).
Von einem weiteren "Guide" wurden wir zu einem schäbigen Hostel geführt. Die Leute vom Hostel hatten aber leider auch keine Ahnung davon, dass wir auftauchen würden, sprich es war nichts reserviert.
Zum Glück tauchte just in dem Moment unser eigentlicher "Guide" Juan Carlos auf. Auch er schien zwar von unserer Ankunft überrascht zu sein, organisierte aber routiniert (man hatte beinahe den Eindruck, dass dies öfter passierte...) eine ebenfalls recht schäbige Unterkunft und versorgte uns mit beinahe allen Infos und Papierchen, die wir benötigten.
Sein Tipp war, dass wir uns am nächsten Morgen zeitig, so gegen 4:45 Uhr, auf den Weg Richtung Bushaltestelle für die Busse hoch nach "Machu Picchu" machen sollten, da wir so einen der ersten Busse erwischen konnten.

Das war allerdings leichter gesagt als getan, denn PeruRail hatte sich entschieden diese Nacht anscheinend längst überfällige Rangierarbeiten durchzuführen. Der "Zufall" wollte es, dass unser Hostelzimmer die Fensterfront in Richtung Rangierbahnhof ausgerichtet bekommen hatte. Die verwendete Diesellok hatte damit etwa denselben akustischen Effekt, wie ein 60 Tonnen Lastwagen mit defektem Schalldämpfer der direkt durch unser Schlafzimmer donnerte. An Schlaf war bis gegen knapp 00:30 Uhr nicht mal zu denken.
Mit dem einsetzenden Regen schienen die Bahnarbeiter ihrer lärmenden Arbeit überdrüssig zu werden und hatten ein Einsehen mit uns.

Die doch recht kurze Nacht war bei unserer Weckung eigentlich noch in vollem Gange. Ausserdem dämpfte der heftige Dauerregen unseren Drang die Inkafestung von "Machu Picchu" zu stürmen. Hätte uns Juan Carlos nicht die Deadline von 6:00 Uhr oben am Eingang der Kultstätte eingetrichtert, wir hätten uns vermutlich auf den Nachmittag vertröstet (was im Nachhinein vielleicht auch die bessere Variante gewesen wäre...). Widerwillig packten wir also unsere Sachen und uns in Gore-Tex, und machten uns auf den Weg zur Busstation. Das hatten vor uns schon einige andere Leute getan, die Menschenschlange reichte beinahe die ganze Strasse hoch (aber wenigstens hatte der Regen etwas nachgelassen).
Der nächste Schock kam nach der gut 20-minütigen Busfahrt bei der Ankunft vor dem Eingang zu "Machu Picchu"! Offensichtlich hatten bereits einige Busse den Weg nach oben gefunden und zusätzlich noch die Horde an Fussgängern, die den Berg über die Inkatreppe erklommen hatten, um dem Warten auf den Bus zu entgehen. Die Schlange hier war dementsprechend noch einiges länger als am Busterminal. Unsere 6:00 Uhr Verabredung war also nicht mehr einzuhalten und so mussten wir nach dem Eintritt in die Ruinenstadt erst unsere Führerin suchen.

Dieses junge Mädel war dann auch mit ihrer Gruppe von 25 englischsprechenden Touris etwas am eigenen Limit angelangt. Das umso mehr, als dass ihre Englischkenntnisse dieser Aufgabe eher gar nicht gewachsen waren. Erschwerend kam auch noch dazu, dass der Regen sich nach anfänglicher vornehmer Zurückhaltung bald in einen Sturzbach verwandelte, so dass auch Coop-Plastik-Regenponchos vom Typ "Gurtenfestival 09" kaum mehr den relativ schnellen Abbau des Zuhörerinteresses bremsen konnten. Die Führung nahm schliesslich ein komisch abruptes Ende, das Fräulein Guide schien vor den Sturzfluten, die von ihrem mickrigen Regenschirmchen nur dürftig aufgehalten werden konnten, reissaus nehmen zu wollen. Wir wurden also quasi im Regen stehen gelassen.

Dieser Regen sollte uns noch bis gegen 11 Uhr weiterquälen, und da wir ja bereits gegen 6 Uhr am Berg gestanden hatten, war das eine verdammt lange, verdammt nasse Zeit. Zeit genug um sogar einen Versuch den "Montaña Machu Picchu", den eigentlichen Berg neben den Ruinen, zu erklimmen. Obwohl die Sicht im Nebel-Regen-Wolkengemisch keinen sonderlich guten Eindruck hinterlassen hatte, wollten wir trotzdem den Versuch starten, den Aussichtspunkt, von dem aus die allseits bekannten Panoramafotos von "Machu Picchu" geschossen werden, zu erklimmen. Die Herausforderung stellte sich als härter heraus als angenommen. Wir waren von einem viertelstündigen Spaziergänglein ausgegangen, aber nach unzähligen "nur noch 5 Minuten weiter" und "noch bis zur nächsten Kurve" (viele werden diese Zauberformeln noch aus der Kindheit kennen, hat schon damals nichts genutzt :-)), nach knapp 45 Minuten Treppensteigen, Keuchen, Japsen und Schwitzen hatte der Berg unseren Willen gebrochen und wir gaben auf.

Diese vergossenen Schweisstropfen schienen aber trotzdem ihre Wirkung getan zu haben oder Petrus waren schlicht und ergreifend die Wasserkübel ausgegangen. Auf jeden Fall machte sich der lästige Regen aus dem Staub und sogar die Nebelschwaden, welche die Ruinen mit einer etwas übertriebenen Portion Mystik umgeben hatten, klarten etwas auf.
Da waren dann also die bekannten Panoramafotos, zwar nicht vom Aussichtspunkt oben am Berg, sondern von weiter unten, doch noch möglich und "Machu Picchu" konnte auf unserer "Must-Have-Seen"-Liste mit einem dicken grünen Häckchen versehen werden.

"Ende gut, alles gut" traf dann sogar auf die Rückreise zu, denn dieses Mal klappte auch alles mit den zugefaxten Zugtickets und dem mit Namensplakat versehenen Buschauffeur in "Ollantaytambo" am Bahnhof (man hatte sogar beinahe das Gefühl, dass da was gutgemacht werden musste ;-))!!

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